Das ist doch die Höhe!


Lech Zürs glänzt mit 340 Kilometern Skiabfahrten, dazu Tiefschneerouten auf weiteren 200 Kilometern … Ein eiskalter Ritt durch die Arlbergwelt mit zwei Skilegenden.

Es ist einer dieser magischen Momente. Die Sonne blitzt durch die dicke Wolkendecke. Und von einer Sekunde zur anderen wird aus dem Schwarz-Weiß- ein Farbfilm. „Ist Skifahren nicht das Schönste auf der Welt?!“, höre ich Lorraine rufen, die eine glitzernde Spur in die tiefe Neuschneedecke zaubert.

Nun muss man wissen: Lorraine Huber ist Profi-Freeriderin. Sie bringt es im Jahr auf mehr als 200 Skitage weltweit. Um sie zu begeistern, sollte ein Skigebiet also schon etwas bieten. Und genau das scheint hier der Fall zu sein, in den Bergen von Lech – Lorraines Heimat. Hier stand sie zum ersten Mal auf Skiern. Hier entdeckte sie für sich das Freeriden.

Aber gehen wir noch mal ein paar Stunden zurück. Acht Uhr morgens in der Backstube Lech. Ein beliebter Treffpunkt unter Urlaubern und Skilehrern für ein schnelles Frühstück, bevor wenig später die Lifte öffnen. Vorn im Verkaufsraum duftet es nach Holzofenbrot. Hinten im Café wartet Lorraine. Sie hat zugesagt, uns die schönsten Tiefschneerouten zu zeigen. 200 Kilometer gibt es insgesamt im Skigebiet. Und sie machen Lech Zürs für Skifahrer und Snowboarder aus aller Welt so einzigartig. Ohne große Aufstiege kann man hier von den Liften aus im freien Gelände fahren. Aber auch für die präparierten Pisten haben wir uns den idealen Begleiter geholt: einen Abfahrts-Olympiasieger, Weltmeister, heute Präsident des Vorarlberger Skiverbands, Hotelier in Oberlech und überall nur als „der Patrick“ bekannt. Einen Nachnamen braucht’s hier nicht, Legenden kommen schließlich ohne Formalitäten durchs Leben. Und am Ende weiß doch eh jeder, wer gemeint ist: Patrick Ortlieb.

Lorraine und Patrick kennen sich, so wie in Lech jeder jeden kennt – zusammen Ski gefahren sind sie jedoch noch nie. „Und, was wollen wir machen?“, fragen die beiden Skistars erwartungsvoll. Ganz einfach: Wir wollen einen perfekten Skitag. In der Praxis heißt das: Wir fahren den Weißen Ring, neben der Sella Ronda in Südtirol die wohl bekannteste Skirunde der Alpen. Auf einer Länge von knapp 22 Kilometern sind etwa 5500 Höhenmeter zu überwinden. Das gibt’s auch als Rennen. Und wer wird wohl gewonnen haben? Richtig: „der Patrick“, bis 2009 mit Streckenrekord. 2014 hat der 47-Jährige in seiner Altersklasse den ersten Platz belegt, so schnell lassen sich Legenden eben nicht aufs Altenteil schieben.

„Gönd mir ufi“, wie man am Arlberg sagt. Bereits in der Gondel zum Rüfikopf zeigt sich: Lech Zürs ist ein Hotspot für sportliche Skifahrer. Und für Könner. Mehr als die Hälfte der Gondelinsassen ist mit breiten Rocker-Skiern und Lawinenrucksack unterwegs, der Standardausrüstung für Tiefschnee-Abfahrten. Oben angekommen, entscheidet Patrick: „Zum Aufwärmen fahren wir meine Lieblingsstrecke, den Langen Zug.“ 4,7 Kilometer lang ist die Abfahrt, und gleich zu Beginn sorgt eine brutale 50-Grad-Neigung für Respekt. Der Hang gilt als die steilste präparierte Abfahrt Österreichs.

Okay, wer die Streif in Kitzbühel gewonnen hat, nimmt eine solche Steilwand als Aufwärmhügelchen – schon klar … Und wie fährt denn nun ein Exskirennläufer, für den in seiner aktiven Zeit Tempo 140 alltäglich war? Der ein furchtloser Draufgänger mit einem Oberschenkelumfang von 64 Zentimetern war und über sich selbst sagte: „Ich bin ein Killer.“ Der Porschefan, der auch Autorennen fährt, lässt es auffallend defensiv angehen. Und es kümmert ihn nicht, wenn Hobby-Skifahrer vorbeiziehen. Dabei ist er topfit. Jeden Morgen fährt Patrick eine Stunde Ski, gleich wenn die Lifte öffnen. „Die Schwierigkeit beim Skifahren ist nicht die Geschwindigkeit selbst“, sagt er, „sondern die erste Kurve nach der Schussfahrt.“ Der Mann weiß, wovon er spricht. Nach einem Trainingssturz 1999 in Kitzbühel musste er seine Karriere beenden.

Text: Martin Fraas; Fotos: Enno Kapitza

Die ungekürzte Reportage über das Skigebiet Lech Zürs finden Sie im Reisemagazin Alpen ab Seite 76. Auch hier zu bestellen.

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