Ein Land geht baden


Kabarettist Django Asül trifft Bayerns Seenerv. Und erklärt, wie Franz Josef Strauß dem Freistaat einst den Starnberger, den Boden- und den Königssee schenkte.

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Gesundes Bayern – zu welcher Assoziation lädt dieser Begriff ein? Selbstverständlich denkt man da in erster Linie an eine wirtschaftlich prosperierende Region. An ein Bundesland, das seinen Haushalt im Griff und damit eigentlich in der EU nichts verloren hat. Doch wie ist so ein Status quo zu erreichen? Logischerweise nur, wenn flächendeckend für physische und psychische Gesundheit gesorgt wird. Und Bayern scheint eben dafür prädestiniert, worauf auch ein gewisser touristischer Erfolg gründet. Denn Nichtbayern verbringen gern ihren Urlaub dort. Und viele Einheimische fahren erst gar nicht weg und bevorzugen Erholung vor der Haustür.

Dieser Erfolg ist aber kein Produkt des Schicksals, sondern hart erarbeitet. Bayern hat einfach viel Wasser. Ob in Seen, Teichen, Flüssen oder Bädern. Wie kommt das? Historiker sind sich da relativ einig: Der große Visionär Franz Josef Strauß hat diese Entwicklung konsequent vorangetrieben. Das gesamte Wasserpotenzial Bayerns wurde in den Jahren des straußschen politischen Wirkens enorm gesteigert. Allzu oft wird das auf den Donauausbau und auf den Rhein-Main-Donau-Kanal reduziert. Diese Projekte waren aber nur der Verbesserung der Logistik geschuldet. Was heute beim Datentransport die von US-Geheimdiensten hoch geschätzten Glasfaserkabel sind, waren in der Strauß-Ära die Wasserwege für die Containerwirtschaft.

Für die Prägung der touristischen und gesundheitlichen Identität aber wurde ein ganz anderer Masterplan umgesetzt. Zuallererst der Ausbau der Seenlandschaften. Die größte Herausforderung war da sicher der Starnberger See. Bis Mitte der Siebziger war er ein Kiesweiher, der nur ein Siebtel seines heutigen Volumens hatte. Zum Bodensee hatte Bayern gar keinen direkten Zugang, weshalb im Zuge der Gebietsreform sogar eine tektonische Verschiebung nötig und auch durchgesetzt wurde. Der Brombachsee war bloß ein Plastikpool auf einem Campingplatz. Der Kochelsee war ein ausgetrockneter Salzsee, auf dem Premiumautohersteller Testfahrten machten. In dem Gebiet, wo heute der Königssee platziert ist, stand einst ein Getränkemarkt. Die heutige Attraktivität des Wasserstandorts Bayern wurde also über viele Jahre mühsam erarbeitet. Als nächster Schritt folgten die Ansiedlung von brauchbaren Schlafstätten an den Seen und die Schaffung von Sportmöglichkeiten. Mittel- und langfristig als sinnvoll erachtet wurden Freizeitmöglichkeiten, die a) die Attraktivität des Menschen fördern, b) für Fitness sorgen, c) dem Seelenheil dienen, d) eine gewisse Verletzungsgefahr beinhalten und e) auch für Sportmuffel attraktiv sind.

Schwimmen an sich ist natürlich der Klassiker schlechthin. Langzeitstudien haben ergeben: Menschen, die jeden Tag eine Stunde schwimmen, sind im Schnitt um 67 Prozent attraktiver als jene, die sich als Sportersatz lieber dem Massenkonsum von Chips und Cola hingeben. Wem banales Schwimmen nicht reicht, der findet rasch Zugang zur Aquafitness. Schweißtreibende Aktivitäten im Wasser haben nämlich den Vorteil, dass man das Schwitzen nicht merkt. Und da sehr viele Übungen eine gewisse Nähe zum Schuhplatteln haben, findet unweigerlich eine Annäherung an die bayerische Kultur statt.

Unverzichtbarer Bestandteil dieser Kultur sind jedoch auch diverse meditative Riten, deren Ziel die spirituelle Balance ist. Oder wahlweise die dauerhafte Absenkung der mentalen Leerlaufdrehzahl. Millionen Menschen erreichen das, indem sie einfach stundenlang auf einen bayerischen See hinausstarren. Dem dadurch drohenden Dehydrieren oder Auftreten von Elektrolytmangel kann der kontinuierliche Konsum von bayerischem Weißbier entgegenwirken, dessen genereller Beitrag zum Seelenheil außerhalb Altbayerns immer noch oft gnadenlos unterschätzt wird. Wem nach dieser ergreifenden Annäherung an die bayerische Lebensphilosophie der Sinn nach richtig Action steht, der sollte unbedingt mal Wasserski ausprobieren. Das elegante Gleiten auf Brettern ist sozusagen der legitime Nachfolger des Tretbootfahrens. Dabei steht zugegebenermaßen nicht die Ekstase des Gastes im Vordergrund, sondern eher die gesunde Auslastung der mittlerweile herausragenden Infrastruktur an bayerischen Seen. All die hoch qualifizierten Physiotherapeuten, Krankengymnasten und Osteopathen müssen und wollen schließlich sinnvoll beschäftigt werden. Ohne einen vernünftigen Prozentsatz an ausgekugelten Schulter- oder ramponierten Sprunggelenken lässt sich die optimale Versorgung schlecht aufrechterhalten. Die Faustregel ist: Je seltener Kassenpatienten eine Kur oder regelmäßige Massagen verordnet kriegen, umso größer sollten die Risikobereitschaft und Abenteuerlust des Urlaubers und Ausflüglers sein. Wer die schier unendlichen Möglichkeiten beim Urlaub in Bayern tatsächlich durch hat, hat in der Regel schon ein stattliches Alter erreicht und will ein bisschen zurück zu den Wurzeln, also zur Kneippkur. Der Vorwurf, dass derlei antiquierte Einrichtungen der Qualität der bayerischen Seen nicht gerecht werden, greift allerdings ins Leere. Der allseits hochgejubelte demografische Faktor ist nämlich nicht zu unterschätzen. Am Ende des Tages ist also ein großes Angebot an simplen Zugängen zum Wasser unverzichtbar.

Doch selbst in Bayern gibt es Ortschaften und Kommunen, die aus geologischen oder schlicht finanziellen Gründen auf einen eigenen See verzichten müssen. Mittels herausragender Bäderanlagen konnten sie dieses Manko ausgleichen. Schon seit den Siebzigerjahren sind zum Beispiel Wellenfreibäder das Aushängeschild so mancher kleinen Gemeinde. Natürlich haben all diese schönen Anlagen gemeinsam, dass sie Jahr für Jahr ein solides Defizit erwirtschaften.

Aber die gesamtökologischen Aspekte überwiegen. Man stelle sich nur den CO2-Ausstoß vor, wenn all die engagierten, einheimischen Wellenfreibadbesucher sich in ferne Meeresgefilde aufmachen würden, um mal Wellen zu erleben! Das Thema Nachhaltigkeit ist aus dem Alltag bayerischer Kommunal- und Regionalpolitiker nicht wegzudenken. Und das wiederum kommt den bayerischen Seen zugute. Die Quadratur des Kreises ist also möglich. Zum Wohle des Urlaubers.

DJANGO ASÜL wurde 1972 in Deggendorf geboren. Derzeit tourt der Kabarettist mit seinem Programm „Paradigma“ durch Deutschland. Im Januar 2013 sorgte er mit seinem Auftritt bei der Verleihung der Gelben Engel in der Allerheiligen-Hofkirche in München für Erheiterung.

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Eine Antwort zu “Ein Land geht baden

  1. Ich fand Bayern schon immer toll (als Hesse), weil die Natur einfach vorhanden ist und man sich generell immer wohl fühlt (auch die Sonnenstunden sind höher). Irgendwann wird es mich sicherlich in diese tolle und gesunde Bundesland ziehen 🙂