Alles ist erleuchtet


Der kleinste Staat der Welt zieht jedes Jahr rund 18 Millionen Besucher an. Die meisten erleben etwas Göttliches – seien es die grandiosen kirchlichen Kunstschätze, ein Gebet in der Peterskirche oder gar die Wahl eines neuen Heiligen Vaters.


Die Peterskirche leuchtet in der Dämmerung, die Marmorfassade, groß wie ein Fußballfeld, bildet eine theatralische Kulisse. Möwen umkreisen die mächtige Kuppel. Ein amerikanischer Tourist blickt gebannt auf die göttliche Szenerie und sagt: „Ich bin nicht katholisch, aber mir gefällt die Show“.

Der Vatikan ist eigentlich niemals profan, er bietet ganzjährig ein Unterhaltungs­- und Kulturprogramm himmlischer Güte. Die Vatikanischen Museen mit Michelangelos Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle, die Pilger, die im Büßergewand auf dem Petersplatz knien, die riesige Kirche, die Schweizergardisten in ihren blau­rot­gelben Streifenanzügen, die Gärten, Friedhöfe und Skulpturen – all das wäre schon nüchtern und mit dem kalten Blick der reinen Vernunft betrachtet eine Sensation. Doch hier haben nur die wenigsten diesen Blick. Und so kommt zur Ballung von Sehenswürdigkeiten noch etwas nicht so leicht Fassbares hinzu: eine Atmosphäre, eine Stimmung, ein Spirit, wie der Amerikaner vielleicht sagen würde, der hier alle beseelt, selbst Protestanten wie ihn.

Doch auch damit ist es noch nicht genug. Auf den Dächern rings um die Kuppel der Peterskirche gleißen Fernsehscheinwerfer. Unten stehen Tausende im Regen und warten. Wie so oft an dieser Stelle, an der in regelmäßigen Abständen etwas Besonderes, Bleibendes, Heiliges passiert. Eigentlich ist alles, was hier geschieht, bedeutsam. Und heute ganz besonders. Wir schreiben den 13. März im Jahre des Herrn 2013 – der Tag, an dem weißer Rauch aufsteigt und Papst Franziskus gewählt wird.Am zweiten Tag des Konklaves, wenige Stunden vor der Entscheidung, prasselt Regen auf den Petersplatz. Es ist kalt und windig, die Beratungen der 115 Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle könnten theoretisch noch Stunden, Tage, Wochen dauern, und Domkapitular Manfred Ertl aus Passau („Sagen Sie einfach Monsignore“), ein Mann wie ein Fels in der Menge, zum ungefähr 85. Mal in Rom, belesen in päpst­licher Geschichte – Monsignore erzählt Witze. Eine bessere Gesellschaft für die Wartezeit kann man sich nicht wünschen.

Ertl ist mit einer Gruppe des Bayerischen Pilgerbüros nach Rom gekommen, „eigentlich, um den bayerischen Papst zu sehen“, wie Maria aus Waldkirchen erklärt, eine von drei Pilgerinnen mittleren Alters, „aber dann wollte der Zufall, dass wir genau zur Zeit des Konklaves hier sind“. Worauf Ertl entschieden einwirft: „Zufälle gibt’s nicht: Das war Fügung.“

Am nächsten Morgen reist die Gruppe aus Bayern ab. Die Pilger haben dann zwar die Albaner Berge und Schloss Gandolfo nicht gesehen, wie eigentlich geplant, dafür aber hautnah jenes großartig inszenierte, seltsam anachronistische Drama der Papstwahl erlebt. Jetzt, um 17 Uhr am zweiten Tag des Konklaves, wissen die Gläubigen noch nicht, dass sie nur noch zwei Stunden warten müssen, bis weißer Rauch aus einem schmalen Kupferrohr auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle strömt.

Auch in diesen vermeintlich säkularen Zeiten zieht das Konklave die Menschen in seinen Bann – auf dem Petersplatz, zwischen Tausenden, die mit nassen Füßen warten, ist diese Faszination spürbar. Wäre es etwas lauter und benähmen sich die Menschen unsittlicher, würde man sich an Woodstock erinnert fühlen. Das legendäre Rockfestival kam 1969 allerdings nur ein einziges Mal auf chaotische Weise zustande. Der Vatikan schafft es hingegen häufig und mit großer Routine, eine Stimmung auf dem Petersplatz zu erzeugen, die von froher Erwartungshaltung jederzeit in absolute Verzückung umschlagen kann. Immer dann zum Beispiel, wenn sich der Pontifex maximus zeigt. Oder in wenigen Minuten, wenn es aus dem Schornstein zu qualmen beginnt.

Zum globalen Medienspektakel wurde das Konklave erstmals 2005 nach dem Tod Johannes Pauls II., als eine äußerst erfolgreiche Amtszeit zu Ende ging und die Welt gespannt war, wer das Erbe weiterführen würde. 2013 ist es der spektakuläre Rücktritt Benedikts, der erste seit Jahrhunderten, der die Kardinäle zur Wahl schreiten lässt. Das Schweigegelübde der Männer in ihren roten Roben erlebte die Menge auf großen Bildschirmen live mit. „Die Kirche wird nicht umhinkommen, zunehmend solche Medienereignisse zu schaffen“, sagt Monsignore Ertl.

Text: Barbara Baumgartner
Fotos: Giovanni Cipriano

Lesen Sie die ganze Reportage ab Seite 94 im ADAC Reisemagazin Rom.

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Eine Antwort zu “Alles ist erleuchtet

  1. Ich selber war auch schon einmal in Rom und im Petersdom bzw. Vatikanische Museen. Es war sehr interessant aber da ich selber nicht sehr gläubig bin, hat es mich nur auf der kunsthistorischen Schiene beeindruckt.

    Gruß Günther